Woyzeck und die Kritik am teleologischen Weltbild

Georg Büchners Werk Woyzeck ist einer der Klassiker schlechthin. Ein Unterrichtsbericht und eine Diskussion über das teleologische Weltbild zeigen auf, welche Rolle Woyzeck auch heute noch spielt.

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Wir, die Klasse M25c, haben im Rahmen des Deutschunterrichts das Theaterstück Woyzeck, geschrieben von Georg Büchner im Jahre 1836, gelesen. Dabei begannen wir zunächst die ersten Szenen textimmanent, sprich nur mithilfe des Textes, zu besprechen, analysieren und interpretieren. Bald haben wir den Rahmen aber ausgedehnt und einen Input zum Deutschen Idealismus erhalten. Damit konnten wir das Werk Woyzeck auch noch textübergreifend deuten.

Was die Exposition ausmachen kann

Während der Besprechung der ersten Szenen ist aufgefallen, dass sich die Szenenanordnung in den Ausgaben von uns Schüler und Schülerinnen von der Szenenanordnung der Ausgabe der Lehrperson unterscheiden. Dies ist möglich, da Woyzeck zum Zeitpunkt des Todes Büchners noch nicht fertiggestellt war und deshalb nur Fragmente von Woyzeck existieren. Diese Fragmente haben keine vorgegebene Reihenfolge und daher sind verschiedene Anordnungen möglich, auch wenn diese den Fokus des Textes verändern können. Wir haben besprochen, dass in der älteren Ausgabe durch die Exposition der Themenschwerpunkt auf Woyzecks materielle Probleme gelegt wird. Bei der neueren Ausgabe der Lehrperson hingegen liegt der Schwerpunkt auf Woyzecks psychischen Problemen. Je nach Anordnung geht es im Text also um die materiellen oder psychischen Probleme, die die Leute aus der Unterschicht im frühen 19. Jahrhundert hatten. Dies war damals eine Neuheit, da Büchners Woyzeck eines der ersten Theaterstücke ist, bei denen der tragische Held aus der Unterschicht stammt. Das war ein Bruch mit der Theorie des aristotelischen Dramas.

Woyzeck als Kritik am Deutschen Idealismus

Im Anschluss haben wir einen Input zum Deutschen Idealismus erhalten und so den Text auch noch werkübergreifend deuten können. Büchner, ein Gegner des Deutschen Idealismus, kritisiert in seinem Werk das im Zuge des Deutschen Idealismus postulierte teleologische Weltbild. Dieses besagt, dass Bestehendes (These) mit einem Problem oder Gegenspieler (Antithese) konfrontiert wird und dadurch etwas besseres entsteht (Synthese) bis die Weltvernunft erreicht ist. Aus diesem teleologischen Weltbild folgt, dass das Resultat der Konfrontation immer im Recht ist, denn ansonsten würden wir uns von der Weltvernunft entfernen. Auch wenn diese Überlegung beispielsweise im Bezug auf den Krieg in der Ukraine längst überholt scheint, so hat sie doch in unserer Welt eine Gültigkeit.

Das teleologische Weltbild in unserer Zeit

Im modernen Verständnis der Welt erscheint es uns logisch, dass der Gewinner nicht immer im Recht ist und dass nicht alles einen auf ein Ziel ausgerichteten Zweck hat. Schreckliche Geschehnisse wie Weltkriege und Judenverfolgung würde nach dem teleologischen Weltbild offenbar notwendige Schritte gewesen sein, um die Weltvernunft zu erreichen. Glücklicherweise ist ein Grossteil der Menschheit der Meinung, dass solche Dinge sinnlos und nicht legitimierbar sind. In diesem Sinne kann das teleologische Weltbild in unserer Zeit nicht als zutreffend erachtet werden.

Weiter trägt auch der Klimawandel dazu bei, das teleologische Weltbild als ungültig erklären zu können. Der Klimawandel stellt den Menschen vor bisher unbekannte Herausforderungen, wobei nicht klar ist, ob die Menschheit sie bewältigen kann. In jedem Fall verursacht der Klimawandel schon jetzt grosse Schäden und es ist unwahrscheinlich, dass dieser ein Teil in einem grösseren Plan ist, welcher uns schlussendlich zur Weltvernunft verhelfen soll. Auch in dieser Betrachtungsweise scheint das teleologische Weltbild also überholt und ungültig.

Andererseits ist dieses Prinzip der steten Verbesserung eines der Grundprinzipe des Menschen. Gerade in Europa verbesserte sich die Lebensqualität bis heute stetig und es war normal, dass die nächste Generation es besser hat als die vorherige. All die Bestrebungen und Bemühungen der Menschen bezahlte sich im Fortschritt aus, der der nächsten Generation zugutekam. In diesem Sinne ist es sich der Mensch gewohnt, dass aus bestehendem mit der Zeit etwas Besseres entsteht, was die Menschheit vorwärtsbringt. Für viele ist es schwer vorstellbar, dass ihre Kinder und Enkel durch den Klimawandel tatsächlich schlechtere Lebensbedingungen haben werden. Und das zeigt eben, wie tief die Idee des teleologischen Weltbilds in uns steckt.

Nicht zuletzt ist das Prinzip der Dialektik (These, Antithese, Synthese) auch ein Grundbaustein der modernen Wissenschaft, die den Menschen sehr weit gebracht hat. In der Wissenschaft ist es selbstverständlich, dass eine Theorie (These) so lange gilt, bis ein Widerspruch entdeckt wird (Antithese). Aus der Konfrontation der einen Theorie mit einem Widerspruch entsteht eine neue Theorie (Synthese), die der Wahrheit ein bisschen näher liegt.

Büchners Beitrag zu einer langen Diskussion

Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass das teleologische Weltbild in unserer Zeit überholt und doch fester Bestandteil unserer Welt ist, je nachdem in welchem Zusammenhang ebendieses teleologische Weltbild betrachtet wird. Dabei wird sich immer wieder die Frage stellen, welche Rolle das Individuum im teleologischen Weltbild trägt und in welchen Bereichen das teleologische Weltbild Gültigkeit hat. In diesem Sinne ist Georg Büchners Woyzeck ein wichtiger Beitrag zu einer vielleicht ewigen Diskussion.

Ich hatte Mühe und benötigte viel Zeit, um mit einer geeigneten Idee für die Weiterentwicklung des Themas aufzukommen. In der Schule habe ich mich im Rahmen des Unterrichts mit anderen Personen der Klasse ausgetauscht und überlegt, welche Themen sich zur Weiterentwicklung eignen. Lange wollte ich darüberschreiben, wie sich die Gesellschaft in der Anordnung der Szenen spiegelt. Allerdings kam ich mit diesem Thema nicht vorwärts, da mir zu wenige verschiedene Anordnungen vorlagen und wir dieses Thema schon im Unterricht mehr oder weniger ausführlich besprochen haben. Schlussendlich entschied ich mich nach einem anderen Thema zu suchen. Diese Suche gestaltete sich ziemlich aufwändig, da ich bis zum Ende nie gänzlich zufrieden mit dem Thema war. Als Inspirationsquelle nutzte ich meine Unterrichtsdokumentationen.

Wie schon angetönt bin ich auch mit diesem Thema nicht ganz zufrieden, wobei ich selbst nicht genau sagen kann wieso. Was mich hingegen freut, ist, dass ich meines Erachtens aufzeigen konnte, welch ambivalentes Verhältnis der Mensch zum teleologischen Weltbild hat. Dies ist ein Punkt, der mir selbst beim Lesen und Besprechen des Werks Woyzecks aufgefallen. In diesem Sinne finde ich mein Endprodukt akzeptabel, wenn auch nicht super.

Fremde Hilfen habe ich zum Schreiben dieses Textes nicht verwendet.